Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, sich einen Hund „anzuschaffen“?
Wie ich dieses Wort am liebsten schon abschaffen würde. Aber genau so bekomme ich wöchentlich Anfragen per Email. Von Familien, oder Paaren, die ihre Familie vergrößern möchten. Und mit dem Gedanken spielen, einen Hund in ihrer Familie aufzunehmen. Im ersten Beratungsgespräch frage ich dann meist, wann denn der perfekte Moment für sie ist, ihr ganzes Leben komplett umzustellen. Kann man diesen perfekten Moment eigentlich finden? Ich meine nein. Denn unsere Leben sind nicht planbar, wer weiß schon genau, was tatsächlich am Ende des Jahres sein wird und alles passiert ist?! Jeder, der sich in seinem Leben schon überlegt hat, wann denn der beste Zeitpunkt für eine Schwangerschaft, für ein Baby in der Familie sei, wird gemerkt haben, dass es keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage gibt. Es gibt nur eine zufriedenstellende Einstellung dazu.
Diese Einstellung meint, bereit zu sein Opfer zu bringen, sich ins Zeug zu legen für diese Sache, mit dem Scheitern mancher Vorstellungen zurecht zu kommen, neue Pläne angehen zu wollen, einfach bereit dafür zu sein, nicht zu wissen was kommt, aber zu wissen an allem was kommt arbeiten zu wollen. Denn so und nicht anders ist es. Da wird es nicht nur Freudensprünge geben. Egal welcher Züchter einem erklärt, dieser und genau dieser Hund sei so oder so, der lügt und möchte einfach Geld verdienen. Denn es handelt sich hier um Individuen, die zwar einer gewissen Rasse angehören können, aber welche Gene sie dann genau in sich tragen und noch spannender, welche Gene durch die ganz individuelle Umwelt dann aktiviert werden – welcher Wahrsager will einem das denn bitte voraussagen können? Erbsenzählen war in der Schule, aber beim Hundekauf nach Wesen und nicht nur Aussehen, hilft einem das nicht wirklich weiter. Die Mehrzahl der Menschen geht vom Züchter heim und ist sich sicher einen blauen Stuhl im Laden gekauft zu haben und zu Hause nach ein paar Stunden haben sie auf einmal eine gelbe Bank im Zimmer stehen. Klingt lustig, ist aber so.
Die Wahrheit über die ersten zwei Lebensjahre eines Hundes ist nicht nur rosarot.
Wem Windelfrei bei Menschenbabys etwas sagt, der wird gleich wissen worauf ich hinaus möchte. Den Wenigsten ist bewusst, dass Windelfrei genau das ist, was wir mit Welpen machen. Man eignet sich ein gutes Auge für die Körpersprache kurz vor den Ausscheidungsmomenten an, oder man putzt. Sicher ist das Ausscheidungsverhalten auch Lernen und Untergrundpräferenz, aber es hat auch einfach etwas mit der Hirnentwicklung zu tun. Schimpfen und den Hund bestrafen ist von Vorgestern, wer das heute noch macht sollte sich einen Stoffhund kaufen. Die Entwicklung geht nicht schneller, nur weil man sie ausschimpft. Windelfrei ist anstrengend, deshalb gibt es die großen Windelfirmen bei Menschen. Es ist passender für unser schneller, weiter, besser Leben eine Windel anzutrainieren, Wundsalbe ob der Nebenwirkungen zu kaufen, und später dann wieder Windeln abzutrainieren, als seinen Alltag umzugestalten. Tja, Problem erkannt?! Beim Hundewelpen gibt es nur die Variante Windelfrei. Ein Glück, dass die Entwicklung viel schneller geht! Oder?
Ja das stimmt, die Entwicklung geht beim Hundewelpen viel schneller. Wir reden hier nicht von 20 Jahren und mehr, sondern von 2 harten Jahren und dann noch ein wenig Nachreifen. Aber der Vorteil ist auch für viele Menschen ein Nachteil, wenn alles Schlag auf Schlag geht. Da hat man die stresshormongeschwängerten Anfänge der Jugendentwicklung im Gehirn, die Wackelzahnpubertät, hinter sich gebracht, und schon kommt der erste Frühling und die Geschlechtshormone fliegen einem um die Ohren und mit ihnen der Jagdinstinkt, der vorher nie da war oder andere Neuerungen auf der Speicherplatte. Die ersten 2 Hundejahre sollte man also nicht viele Pläne haben, außer, zu nehmen was kommt, daran arbeiten und mit ganz viel Liebe und Empathie das Ding zu rocken. Und eben nicht genau in dieser Zeit noch andere Familienprojekte geplant haben.
Das Projekt Familie mit oder ohne Hund ist hier die Frage.
Ob man grundsätzlich die Lust dazu hat, 14 Jahre oder länger sein Leben eben auch nach jemand anderem zu richten, sollte wirklich vorher entschieden werden. Eine Topfpflanze einige Jahre durchzubringen, die dann im Urlaub mal der Nachbar gießt, ist kein Vergleich. Es geht hier um ein Lebewesen! Dieses baut eine Bindung auf wie ein Kind zu seinen Eltern, das haben Studien hinlänglich bewiesen. Deshalb ist der Hund Haustier Nummer eins. Wir übernehmen die Elternrolle für den Hund. Man wird beim Packen für den Urlaub schon ahnen, dass sich hier etwas gewaltig verändert hat. Und wenn nur ein kleiner Hauch von Familienplanung im Kopf herumschwirrt, dann ist mein Rat immer sehr klar: weißt du sicher, dass du es niemals übers Herz bringen wirst, deinen Hund nur noch in den Garten zu schicken, statt einen Spaziergang zu organisieren? Weißt du sicher, egal wie schlecht es dir geht, du achtest trotzdem darauf, dass es deinem Hund gut geht? Hast du emotional und körperlich genug Kraft, um dein Leben komplett neu zu gestalten, wenn Hund und Kind sich am Anfang eben nicht gut verstehen und würdest dir dann Hilfe holen? Die wenigsten Hunde finden Kleinkinder toll, man MUSS Management betreiben und das kostet Kraft.
Erst Kind dann Hund oder andersherum?
Kinder sind ab ca. 4 Jahren zum Perspektivwechsel fähig, empathisches Handeln findet seinen Weg. Ab diesem Zeitpunkt kann man in riesigen Schritten beobachten, wie die Beziehung zwischen Hund und Kind wächst, wie sich eine Bindung aufbaut. Vorher…. macht das nicht immer Spaß was da passiert. Außer man hat einen Hund, der alles über sich ergehen lässt und einfach darauf wartet, dass auch dieser Tag wieder ein Ende haben wird. Dann sollte man selbst aber im Lesen von Hundekörpersprache extrem schlecht sein und über wenig bis keine Empathie verfügen, weil es grauenhaft ist mit anzusehen, wie sehr der Hund leidet. Wenn man irgendwie kann und möchte, würde ich in den ersten 2 Hundejahren von einem Baby im Haushalt abraten, außer man verfügt über ein grandioses soziales Gefüge um sich herum und man weiß, da sind viele, ganz viele helfende Hände. Und man wird Abstriche in der Ausbildung des Hundes machen müssen, denn egal wie glatt Geburt und Wochenbett verlaufen, als Mutter mit Baby und Junghund alleine zu Hause ist der Alltag nicht rosarot. Wenn man sich einen Hund als Bereicherung zur Familie holen möchte, sollte man sich vorab beraten lassen, was es für Strategien, Management und Trainings gibt, die dabei helfen, dass aus Kind und Hund ein Dreamteam werden und dann rate ich zu warten, bis das jüngste Kind 4 oder 5 Jahre alt ist. Und man hat Zeit, ganz viel Zeit und Liebe und Empathie übrig. Sonst ist es wieder ein Wanderpokal, wie man sie momentan selbst bei den Stars und Sternchen auf Insta überall sieht, weil ja ein Baby in die Familie kam und dann alles so stressig wurde oder weil man sich die Welpenzeit nicht so anstrengend vorgestellt hat. Sicher ist es besser ganz früh die Reißleine zu ziehen und sich diesen Fehler einzugestehen, ich würde mir allerdings wünschen, dass die Menschen den Hundekauf angehen wie den Autokauf. Lest ganz viel, lasst euch beraten, macht eine „Probefahrt“ und schlaft dann noch ein paar Wochen darüber, haltet Familienrat und schlaft dann wieder darüber.
Ich hoffe ich kann damit ein paar Menschen erreichen, die sich nun vorher mehr Gedanken machen. Denn Hunde sind unsere Nummer eins, und Familiemithund ist nicht nur Ponyhof.
Eine Meinung zu “Vom richtigen oder falschen Zeitpunkt”
Es kommt mir alles so bekannt vor – wir hatten 12 Jahre einen tollen Mischling mittlerweile 2 tolle Kinder, die einen sehr rücksichtsvollen Umgang mit dem Hund hatten. Dann starb der alte Hund und uns war schnell klar wir wollen ein neues Familienmitglied! Und obwohl ich mich lange mit den Rassen beschäftigt habe und wir auch eine tolle Züchterin gefunden haben, habe ich einiges unterschätzt… uns war klar, das 1. Jahr ist super anstrengend (Kinder sind 5 und 10 Jahre). Jedem in unserer Familie war bewusst wieviel Arbeit auf uns zukommt, Grunderziehung, Stubenrein, soziale Kontakte usw. und auch dass wir uns nach den Bedürfnissen des kleinen Hundes richten müssen, aber trotzdem ist es eine große Herausforderung und viel Arbeit und noch mehr Management für die Erwachsenen, Rücksicht von den Kindern (Hundeplatz statt Spielplatz 🙃). Jetzt ist das 1. Jahr fast rum – unser Hund Airdale Terrier – ist groß geworden und ein wirklich toller Hund. Aber es war ein hartes Jahr und ist immer noch sehr viel Arbeit. Und besonders ich muss immer wieder mal meine Ansprüche herunterfahren. Nein das Apportieren klappt noch nicht – dafür können wir jetzt prima hinter den Kindern herlaufen, wenn sie Fahrrad fahren und sogar mit guter Leinenführigkeit 😍. Am Ende gibt es keine perfekte Zeit – man muss den Hund wollen RICHTIG wollen mit allen Konsequenzen. Und trotz aller Arbeit ist unser Hund eine große Bereicherung in unserem Leben.